Wir befinden uns bereits mitten im fortgeschrittenen, vom Autor Karl-Heinz-Land beschworenen ‚Digitalen Darwinismus’. Diejenigen Unternehmen, die es nicht schaffen sich rechtzeitig an die bevorstehenden Änderungen in den Wirtschafts-, Organisations- und Arbeitsprozessen anzupassen werden es in Zukunft schwer haben – oder schlichtweg nicht mehr existieren. Denn auch hier gilt: Nicht der größte und stärkste gewinnt, sondern der anpassungsfähigste. Was sich früher gemächlich über Jahrzehnte entwickelte, das überrollt uns inzwischen nahezu und wird innerhalb weniger Jahre zum Branchenstandard.

„Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.“
Chinsesisches Sprichtwort

Diese neuen Rahmenbedingungen (anzu)erkennen ist demnach überlebenswichtig in Zeiten einer globalen, vernetzten Wirtschaft wie der heutigen. Genau so wichtig aber ist Offenheit. Denn bei diesen immer kürzer werdenden Innovations-Zyklen fällt es Unternehmen zunehmend schwer, mittels geschlossener Systeme ihr Level an Innovationskraft konstant zu halten.

Digitaler Darwinismus - Karl-Heinz Land

Aus diesem Grund müssen (!) sie langfristig über ihre eigenen Unternehmensgrenzen hinaus denken und andere Akteure und Modelle als Innovationstreiber mit einbeziehen, z.B. in Form von Open Innovation oder Co-Creation durch externe Kreative oder eigene Kunden. Neben der konstanten Schaffung von Innovationen geht es zudem um die effiziente Nutzung der am Markt vorhandenen Ressourcen. Auch hier eröffnen sich neue Chancen und Geschäftsmodelle in Form von globalen CrowdSourcing Marktplätzen oder Shareconomy Ansätzen.

Aus Sicht von Unternehmen ergeben sich damit drei Handlungsebenen:

Ebene 1: die externe (Kreativ-) Ressourcen, Dienstleistungen und die entsprechenden Plattformen zum unternehmenseigenen Zwecke zu nutzen, um die Innovationskraft und Flexibilität zu fördern. Beispiel: ein Unternehmen beauftragt eine Crowdsourcing-Kampagne zur Ideenentwicklung, lagert bestimmte Tätigkeiten regelmäßig an die Crowd aus, oder es baut Schnittstellen in Form von Startup Kooperationen auf um den Wissenstransfer zu gewähren.

 Ebene 2: in dieser zweiten, disruptiveren Variante werden Teile des unternehmenseigenen Geschäftsmodells der digitalen Co-Economy angepasst, zunächst als ein Pilotprojekt oder Geschäftsarm, während des Kerngeschäft weiter läuft. Beispiel: ein Unternehmen transformiert sein jeweiliges Kerngeschäft, so im Ansatz zu beobachten bereits bei Automobilherstellern, die Autos in den Carsharing Markt eingestiegen sind.

Ebene 3: Eine kompletter, strategischer Umbau des unternehmenseigenen Geschäftsmodells. Dieser digitale Strukturwandel findet über mehrere Jahrzehnte hinweg statt und erfordert einen integrierten Gesamtplan.

Die einzelnen Schritte können durchaus aufeinander aufbauen. Hat ein Unternehmen genug Erfahrung im Hinblick auf Co-Economy Ansätze gesammelt, kann es in Betracht ziehen, dieses Geschäftsfeld zu professionalisieren und sukzessive als eigene Dienstleistung auszubauen – eh es andere tun.

Fest steht: Die Debatte über eine sinnvolle Gestaltung einer dem technologischen Fortschritt und den neuen Geschäftsmodellen angepassten Arbeitssituation ist langst überfällig, sowohl auf unternehmerischer wie auch auf gesellschaftlicher Ebene. Das schöne an der aktuellen Situation ist aber: die Digitalisierung verlangt uns nicht nur eine neue Anpassungsfähigkeit ab, sie ermöglicht sie auch. Die zuvor beschriebenen Entwicklungen sind nicht alleine Bedrohungen, es sind vor allen Dingen mannigfaltige Möglichkeiten. Möglichkeiten, die dort draußen liegen, außerhalb der Unternehmensmauern. Von der Ideenfindung über die Produktgestaltung, Finanzierung und Distribution – praktisch jeder Bereich der Wertschöpfung kann inzwischen kollaborativ erfolgen. Wer jetzt die richtigen Schnittstellen und Knotenpunkte schafft, der wird bald schon wie selbstverständlich mitreisen auf dem Weg in die digitale Zukunft.

Szenario für die Arbeits- und Organisationsprozesse

Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt explodiert, wird die Stimme eines Experten sein, der sagt:

„Das ist technisch unmöglich.“
Peter Ustinov, britischer Schriftsteller u. Schauspieler

Was Ustinov damit meint: Die Sache mit den Vorhersagen ist sicherlich keine leichte. Erstrecht nicht in einer Umgebung, die sich ohnehin stetig im Fluss befindet. Vielleicht entwickelt auch gerade in einem Kinderzimmer irgendwo auf der Welt jemand den Grundstein für das nächste Google und dann wird sowie alles anders. Aber eines ist unumstößlich: Unternehmen, die überleben möchten werden sich zwangsläufig einem Strukturwandel innerhalb der Organisationen und Prozesse unterziehen müssen. Diejenigen, die sich darauf einlassen werden zukünftig eine Flexibilisierung erfahren, die sich den globalen Märkten und Geschwindigkeiten anpasst. Neben den zentralen Adminstrations- und Steuerungselementen des Unternehmens werden sich kleinere, mehr oder weniger autarke Units um die strategisch relevanten Stellen und Themenfelder gruppieren, die es auch großen Konzerngebilden erlauben, auf Trends zu reagieren und eigene Innovationsprojekte verhältnismäßig schnell und unbürokratisch umzusetzen.


Zudem werden die Innen- wie Außergrenzen der Unternehmen durchlässiger werden. Die Verwendung Firmen- oder Abteilungs-interner Ideenbörsen wird ausgebaut und letztlich die Gestalt von ‘Ressourcen- bzw. Work-Pools’ annehmen, welche die ideale Nutzung der vorhandenen Kapazitäten und Fähigkeiten ermöglichen und Arbeitnehmern mehr Eigenverantwortung und freiere Zeiteinteilung für ihre – ohnehin zunehmend projektbasierten Arbeitspakete – zugestehen. Online Kollaborations-Tools unterstützen diesen Trend und ermöglichen ein mobileres, flexibleres Arbeiten für alldiejenigen, die dies möchten. Dies fördert u.a. den Ausbau der bestehenden Teilzeitmodelle, spart Wegzeiten und sorgt mitunter auch inhaltlich für ganz neue Impulse. Überschüssige Arbeitsvolumina, die sich nicht von den internen Mitarbeitern decken lassen oder hochspezialisierte Aufgaben können zudem über externe fluide Workforces und Experten erledigt werden, beispielsweise über Crowdsourcing Plattformen und Marktplätze bzw. unternehmenseigene Freelance-Workpools , auf die zurückgegriffen wird sobald der interne Workpool ausgeschöpft ist. Letztlich werden immer mehr Tätigkeiten automatisiert sein, was bleibt sind die hochgradig wissensintensiven Aufgaben. Doch auch hier ist die Auswahl der digitalen Hilfsmittel hoch. Dass sich Wissensarbeiter mit der neuesten Hard- und Software auskennen ist in vielen Bereichen mehr Pflicht als Tugend. Insbesondere Freelancer und Kreative nutzen längst die digitalen Kollaborationstools um ihren Arbeitsalltag zu organisieren. Das geht hin bis zu einer globalen Talent Cloud, die anstelle eines festen Arbeitgebers über Crowdsourcing Marktplätze ihre Aufträge akquiriert.

Neben den Großkonzernen hat sich – insbesondere im Digitalsektor – eine Vielzahl kleiner, äußerst agiler Unternehmen herausgebildet, deren Innovationskraft mit der der Industriegiganten durchaus mithalten kann. Sie manches Mal auch abzuhängen weiß. Ein Grund mehr für Konzerne strategische Beteiligungsstrukturen für eben diese kleinen Innovationsvehikel zu schaffen, um den eigenen Wissens- und Technologietransfer zu befördern. Diese Entwicklungen zusammengenommen werden in Zukunft dazu beitragen, dass Unternehmenstrukturen in Zeiten der Co-Economy komplexer bzw. vielschichtiger sind und einen gänzlich anderen Führungsstil erfordern. Die Schnittstellen zwischen den (Sub-)Einheiten werden ebenso agiler konstruiert und gemanagt werden wie die internen und externen Workpools selbst. Wenn es zukünftig nicht mehr nur eine Art von Vollzeit-Mitarbeitern gibt, sondern sehr diverse Modelle müssen sich auch die Human Ressources Abteilungen sowie die jeweiligen Leiter der Teams und Units darauf einstellen. Abläufe und Kommunikationsmethoden, sowie Abrechnungsmodelle müssen angepasst werden. Hinzu kommt, dass projektbezogene Arbeit in vielen Bereichen noch weiter zunehmen wird. Standardisierte Tasks sind so weit wie möglich ausgelagert, oder alternativ intern dorthin umverteilt wo Kapazitäten frei sind.


Unternehmen werden für sich insbesondere sicherstellen müssen, dass sie sich trotz oder gerade wegen dieser neuen Vielschichtigkeit der Beschäftigungsformen eine klar umrissene Identität bewahren, an denen sich die Mitarbeiter orientieren können. Für den Innovationsbereich ist es im Hinblick auf die Mitarbeiter essentiell, Vordenker für das Unternehmen zu akquirieren, die eigenständig ihre Bereiche verwalten und Themen setzen, diese Mitarbeiter haben eher den Status von Intrapreneuren und reporten in regelmäßigen Abständen an die Geschäftsleitung. Um den stetigen kreativen Austausch innerhalb des Unternehmens und zwischen den einzelnen Units zu gewährleisten und ‘Accelerated Serendipity’ zu ermöglichen werden immer mehr Unternehmen zukünftig auf Corporate Coworking Spaces oder Kreativ-Labore setzen, die so gestaltet sind, dass sie ein kollaboratives und innovatives Arbeitsklima fördern. Wertschöpfung orientiert sich derweil entlang an Themen und Projekten anstatt an starren, linearen Strukturen.

Dieser Beitrag  ist ein Ausschnitt des Buches „Co-Economy: Wertschöpfung im digitalen Zeitalter http://amzn.to/1RO5qIK